Ich gelte als jemand, der sehr gut vernetzt ist. Dies gilt für berufliches, aber auch privat. Zunehmend habe ich mich aber von sog. „sozialen“ Netzwerken entfernt (FaceBook, WhatsApp, Twitter, XING), da ich ihren Mehrwert immer weniger sehe. Trotzdem klappt es, dass man den Kontakt zu Menschen über Jahrzehnte hält oder zu Freunden, die 16.000km von einem weg wohnen?!? Ich halte zu allen Firmen, für ich die mal gearbeitet habe, noch Kontakte zu Mitarbeitenden und freue mich, wenn wir uns IRL mal sehen und uns austauschen können. Mir ist es wichtig zu wissen, dass es ihnen gut geht, sie Freude am Leben haben und wie es sich verändert.
Auch wenn ich mit dem „Rechner“ groß geworden bin, so findet meine Realität nicht „in ihm“ (DER Rechner) statt, sondern mir sind menschliche Begegnungen sehr wichtig. Wie ich in einem Workshop lernen durfte, macht es auch Sinn mit jemanden nur zu telefonieren, anstatt mit Video das Ganze aufzuhübschen, denn: Man fokussiert sich auf das gesprochene Wort, also auch die Tonlage, Lautstärke etc., während man bei der Videotelefonie das Bild in den Vordergrund stellen lässt, dass aber so schlecht gegenüber dem realen Bild ist [wo wir als Menschen gelernt haben draus zu „lesen“], dass wir mit unseren Sinnen daraus viel weniger Informationen ziehen können.
Wende ich das mal auf die „sozialen“ Netzwerke an, sehe ich eben auch, dass mir dort das Mitmenschliche fehlt, aber die Show immer im Vordergrund steht. „Wie geil bin ich?“ sehe ich öfter als „Wie geht es Dir? Kann ich was für Dich tun?“. D.h. die Selbstdarstellung steht im Vordergrund und nicht die Beziehung zwischen den Menschen.
Zudem sind Offenheit, Charme, Witz, Sympathie, Mimik, Gestik, … alles Dinge, die für unser Zusammenleben elementar sind (der Mensch ist ein soziales Wesen), aber in „sozialen“ Netzen keine wesentliche Rolle spielen. Verbreitungsgrad, Likes, Re-Tweets, Follower, … sind andere Metriken als die, die für das Netzwerken IRL wichtig sind.
Ein alter Freund wunderte sich kürzlich, dass ich nicht auf Anhieb wusste, was „Threads“ ist [und wieso ich nicht dabei bin], da es doch, laut Statista, innerhalb 1h 1 Mio Menschen erreichen konnte, während ChatGPT dafür 5 Tage und Fratzenbuch 10 Monate brauchte. Ähm. Ich musste schon früher nicht bei jedem Hype dabei sein und es war auch für mein berufliches Fortkommen nicht allzu negativ, dass ich mit UNIX und OS/2 eher was anzufangen wusste als mit Microsoft Windows. Die Communities der beiden erstgenannten Systeme galten und gelten als sehr kooperativ und hilfsbereit. Menschen, die ich zu den Anfangszeiten kennenlernte, kenne ich noch heute und treffe ich demnächst auch wieder auf dem 37C3 in Hamburg. Das Netzwerk ist solide, aber eben langsamer und es achtet auf andere Werte als die der „sozialen“ Netze.
Das, mein guter alter Freund, ist mir wichtiger als die Anzahl meiner Follower…