Die Mär von anonym…

Als mich jemand fragte, ich möchte doch mal einen Artikel lesen und, wenn ich ihn gut finde, bei mir verlinken, war das ein „Arbeitsauftrag“ für mich, denn ich verlinke nichts, was ich nicht selber unterschreiben würde. Es ging um das Thema Darknet, Tor etc.

Nun, selbst wenn man sich seit sehr langer Zeit mit dem Thema Verschlüsselung, Sicherheit, Anonymisierung, Datenschutz und Privatsphäre, aus eigenem Interesse und / oder beruflich, auseinandersetzt, wachsen Erkenntnisse manchmal über einen längeren Zeitraum, aber eines, dessen bin ich mir sehr, sehr sicher:

Anonym und Internet verträgt sich nicht

Die Mär von VPN

VPN (Virtuelles privates Netzwerk) ist kein Anonymisierungswerkzeug! Ein VPN-Tunnel dient dazu bspw. am öffentlichen WLAN (Café, Bahnhof, etc.) nicht ausspioniert zu werden, da sichergestellt wird, dass zwischen Dir und dem VPN-Dienst, dessen Server Dein Eingangstor zum Internet ist, keine [wo]man-in-the-middle-Attacke (Die/Der Angreifer*in greift zwischen zwei Endpunkten die Informationen ab) so einfach möglich ist. [1][2]

Es ist aber eben nicht so, dass man damit dann anonym unterwegs ist oder man unbedingt ins Darknet mit einem VPN-Dienst muss, im Gegenteil. Es ist nur so, dass uns das suggeriert wird, aber wenn der Onkel Richter eine Verfügung ausstellt und der Dienst dann die Daten rausrücken muss, hat es sich mit Deiner Anonymisierung. digitalcourage aus Bielefeld hat in einem Artikel aus dem Jahre 2018 [3] dazu, neben den oberen beiden Links, auch noch diesen [4], der es vielleicht noch mehr verdeutlicht das VPN nicht zur Anonymisierung taugt.

Nun steht man also mit „abgesägten Unterhosen“ schon mal ohne VPN im Internet. Was ist den nun mit Tor?

Vegas-Regel: Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas

Um meine Anonymisierung zu erreichen, schnappe ich mir nun diesen Tor (The Onion Router, benannt nach dem Konzept der Zwiebel, da die Verschleierung der Identität in etwa dem des Zwiebelprinzips entspricht) und dann bin ich aber anonym…. Nein!

Wiederum digitalcourage beschreibt [5] korrekt das es auf die richtige Nutzung ankommt:

  1. Wenn ich „soziale“ Dienste oder irgendetwas, wo ich mich anmelden muss, über das Tor-Netzwerk im Darknet benutze, lege ich quasi meine Identität offen, es sei denn der Dienst ist ausschließlich im Darknet vertreten und die Identität ist nur im Darknet existent (siehe 2.).
  2. Wenn ich eine E-Mail-Adresse/Idenität brauche muss sie innerhalb des Darknets – und nur dort – bekannt sein („Vegas-Regel“). CB-Funker verwenden ein sich selbst gegebenen Rufnamen und reden i.d.R. nicht über private Dinge oder nur sehr allgemein, denn, wenn ganz viele auch heimlich still und legalerweise mithören, erfahren sie nichts von Bedeutung – ist also nichts was durch das Internet kam. Das Problem der CB-Funker haben auch die Internet-Pendants: Man kann durch Messungen auf deren Standort kommen. Diese Messungen sind heutzutage das sog. „Profiling“, also durch „Cookies“, „Fingerprinting“ und andere Methoden zusammengetragene Daten, die irgendwann einen erkennbar machen, auch wenn man nicht weiß, wer Du bist, wissen sie viel über Dein Verhalten.
  3. Wenn ich nicht zurückverfolgt werden möchte, muss ich meine Installation (virtuelle Maschine mit Zugangssystem zum Darknet – TOR ist übrigens nur eine der Implementierungen) nach der einmaligen Nutzung wegschmeißen und beim nächsten Mal wieder mit frischen Dingen starten. Also sollte ich mir das automatisieren 🙂
  4. Zugang immer über dasselbe Netzwerk, am Besten noch das von zu Hause, ist auch keine gute Idee. Da i.d.R. man nicht ein Botnet (eine Ansammlung von Rechnern, die, meistens unbemerkt, von Dritten oder als virtuelle Umgebungen benutzt werden) sein eigen nennt, muss man also ab- und an mal den Popo hoch bekommen und in andere Netze gehen um von dort aus zu arbeiten.
  5. Benutze ich nicht verschlüsselte Verbindungen (TLS, Transport Layer Security, auch unter dem Vorgängernamen SSL, Secure Sockets Layer bekannt), muss ich mich nicht wundern, das ich erkannt werde.

Journalist*innen, Menschenrechtler*innen, Wiederstandsbewegungen, etc. in „nicht so netten“ Ländern kennen diese Regeln sehr gut und es gehören bestimmt noch einige andere Kniffe dazu.

Anonymes Verhalten setzt Disziplin voraus

Trotz all dieser technischen Maßnahmen und Vorkehrungen, ist nicht gesichert, dass man anonym bleibt. Der entscheidende Faktor ist das eigene Verhalten. Wie auch IRL (im realen Leben, in real life), bekommen Überwachungs- oder Ermittlungsbehörden das was sie wollen, da jemand den Mund zu voll nimmt, einen Fehler in seinem/ihrem Verhalten begeht…. ganz klassisch eben [6].

D.h. wenn Du in Ruhe gelassen, nicht verfolgt und nicht ausspioniert werden möchtest, musst Du neben den technischen Dingen auch Dein Verhalten anpassen. Das kann man lernen, aber man sollte früh damit anfangen und d.h. liebe Eltern: Bringt es Euren Kindern bei, wenn sie IRL verlassen und Cyberpunks werden, also mit 5 Jahren 🙂

Lerne nach Möglichkeit in der Kindeheit oder nutze was Du IRL dort einst gelernt hast

  1. Hanisauland von der Bundeszentrale für politische Bildung hat bspw. die Sicherheitsregeln für Kinder, wo man sich als Anonymisierungsfrischling auch als Eltern was von abgucken darf. Das Poster kann man kostenlos bestellen und ist super aufgehoben im Kinderzimmer!
  2. digitalcourage hat ein Lexikon (#Kids #digital #genial – Das Lexikon von App bis -.zip, ISBN  978-3-934636-20-0) rausgebracht, welches man auch lesen sollte – wenn man kein Kind / Jugendlicher ist, kann man trotzdem lernen, wie man seine Daten schützen kann und mal vom/von der jungen Padawan*in zum Privacy-Ritter/-Prinzessin aufsteigen möchte! 🙂

Ich denke mein Artikel ist etwas länger geworden, weil es eben nicht Schnipp-Schnapp geht sich im Internet anonym zu bewegen und wenn, dann muss man einiges dafür tun und hat dann immernoch keine 100%ige Sicherheit.

Ich selber möchte nur in Ruhe gelassen werden und möchte meine Daten unter meiner Kontrolle behalten und das ist schwer, aber wir haben ein Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung, welches ich nur durchsetzen möchte.

„Das Darknet ist böse“ ist eine schlimme Verallgemeinerung

Waffen oder illegale Drogen waren nie meins und daher bestelle ich auch keine. Ich finde es wichtig Menschen einen Raum zu geben, wo sie die Freiheit besitzen über Wahrheiten zu reden ohne dafür verfolgt zu werden – in verschiedenen Ländern der Erde kann das das Todesurteil für einen bedeuten! Die Menschen in Europa kennen das nur am Rande und daher nehmen die Medien gerne das Darknet um Klicks für ihre Seiten zu bekommen, verstanden haben sie oftmals nichts von den Konzepten.

Freiheit bedeutet auch immer Risiko und Spinner*innen, die das Ganze gegen die Gesellschaft verwenden – Kinderschänder, Pornosammler, Nazis, Hetzer, Radikale aller Art – die gibt es IRL aber leider auch und wieso sollte das Darknet davor Halt machen? Bspw. verwende ich beruflich Hackertools, die eigentlich mal dazu geschrieben worden sind, um Schwachstellen auszunutzen, nur verwende ich es umgekehrt um Dinge sicherer zu machen – es gibt, wie so oft, immer zwei Seiten einer Münze.

Reglementierungen gab es zu meiner Zeit auch und es war höchst illegal ohne FTZ-Sigel ein Modem zu betreiben, aber war es sinnvoll? Nein! Wenn also „Heimathorst“ etwas reglementieren möchte, so glaubt er die Kontrolle zu haben, jedoch wird auch er schnell merken: Die Infrastruktur des Internets wurde geschaffen um sie nicht kontrollierbar zu betreiben, exakt so, wie wir es mit Bulletin Board Systems (aka MailBox) auch einst taten.

Zurück zur Anonymisierung: Es ist weder illegal noch ist es 100%ig möglich, aber es macht Sinn sich zu schützen, denn andere haben mit den Profildaten eines Menschen (Identität) im digitalen Zeitalter ganz andere Dinge vor und dagegen wehre ich mich so gut ich kann, wie man es IRL auch tun würde, wenn man angegriffen würde….