Unfall 95 – und die Erinnerungen an Lotus 1-2-3 auf einem M1 lebendig machen

Weihnachten ist immer so die Bastelzeit, also die Zeit, die ich als junger Hacker quasi 24h am Tag hatte. Ich wollte seit Jahren meine für meinen ehemaligen Ausbildungsbetrieb in der Tabellenkalkulation Lotus 1-2-3 geschriebenen Makro-Programme „ResQ“ (Reklamationsstatistik Qualitätssicherung) und „NUS“ („NORDSEE“ Unfallstatistik) mit heutigen Augen ansehen…

Lotus 1-2-3 war das „naturwissenschaftlichere“ Excel von IBM und wurde seinerzeit unter DOS, Windows (3.x), OS/2 uvm. Betriebssystemen angeboten (damals hatte man wenigstens eine Auswahl).

Die „NORDSEE“ (ja, die Fischrestaurants gehörten seinerzeit zum Konzern, sowie eine Frosterei (später frozen fish international), Räucherei und die Frischfisch-Abteilung (heute Deutsche See)) hatte mich gefragt, ob ich während meiner Semsterferien die für die Berufsgenossenschaft notwendige Unfallstatistik zu erstellen.

NUS war wohl das zweite Programm, aber das erste wo die Anforderungen quasi auf dem Tisch lagen und ich keinen Bock hatte, den Mist von Hand auf Papier zu bringen. Die Aushilfen in den Jahren zuvor haben die Daten auf einem Endlosdruckerausdruck (abwechselnd grün-weiß – Höchststrafe als HSV-Fan!) manuell (IBM = immer besser manuell) abgeschrieben und nach Formel in die einzelnen Statistiken überführt.

Ich hatte damals ein altes, nur noch am Strom funktionierendes Laptop mit riesigem Netzteil (ich meine der war sogar ausgeliehen) und in meiner Studentenbude einen WYSE-PC mit IBM OS/2 drauf. Also habe ich damals schon „nächtliches HomeOffice“ gemacht, da die technischen Möglichkeiten einfach besser waren und in meiner Bude auf dem Firmengelände nur die Probleme ausgebügelt.

Die für mich zuständigen Sicherheitsingineure (einen kannte ich aus meiner Ausbildung, der andere war eigentlich mit der Umsetzung des Hochregallagerbaus beschäftigt) fanden meine Arbeit geil und, da damals die Erfassung der BG-Unfälle die Zeit der Sekretärinnen frass, fragte man mich (ich meine ein Jahr später), ob ich da was machen könne…. und das müsste die Version sein, die ich nun auf der Diskette fand.

Die Sekretärin musste fortan nun nicht mehr alles in die Schreibmaschine tippen und bei einem Fehler nochmal anfangen, da die BG-Unfallbögen ein Mehrfachdurchschlag waren, sondern sie konnte die Daten wieder laden, korrigieren und noch einmal aus dem Drucker den aktuellen Bericht drucken lassen. Ebenso konnte sie die Statistik selbst tagesaktuell laden.

Wie schon immer, keine Daten, sondern nur das Programm auf der Diskette!

Für meine Herausforderung das Programm zu starten ist 2021 nicht unbedingt der beste Zeitpunkt, da ich keinen x86/INTeL-basierten Mac mehr habe, DOS besitze ich maximal noch als Emulator oder in der PCi-Karte auf meiner SPARC und Lotus 1-2-3 ist eher ein Antqiquariatsartikel und Passwortcracker auf *.wk4-Dateien sind bestimmt auch nicht an der Tanke zu haben.

Läuft! Auf einem M1-MacBook mit Windows 11 (Parallels) Lotus 1-2-3 9.8.0208.1200 (2002)

Zum Einsatz kommen folgende Komponenten (und viel Zeit)

  1. Parallels Desktop 17.1.1 für Mac (auf einem Apple Silicon M1)
  2. Windows 11 (kommt mit Parallels Desktop)
  3. Elcomsoft Advanced Lotus Password Recovery 2.12.1784.0 (2018)
  4. Lotus 1-2-3 (in der Lotus Smartsuite) als ISO aus dem Internet Archive
  • Das ISO als CD in Parallels anbinden, damit Windows 11 es lesen kann.
  • das enthaltene .msi-Programm zur Installation starten und sehr lange warten
  • Die Installation, trotz drei Fehler bis zum Ende durchführen
  • Elcomsoft installieren in Windows 11 und die *.wk4-Datei Laden – binnen SEKUNDEN wurde mein dreibuchstabiges Passwort „bgn“ gefunden 🙂
  • 1-2-3 aus Windows starten
  • Datei laden und bgn als Passwort eingeben
  • voilà – unter einem ARM-Prozessor ein steinaltes x86-Programm in einer virtualisierten Windows 11-Umgebung gestartet

Für ResQ muss ich wohl doch die PCi-Karte in der SunBlade 1000 (2002 Sonderedition) zum Laufen bringen, da das *.exe-Archiv unter Windows 11 nicht extrahiert werden kann. Mal sehen, ob ich dieses Jahr noch dazu motiviert bin 🙂

 

Willst Du mich auf den ARM nehmen?

HEISE+ schrieb es so schön und dem möchte ich auch mal geschichtlich meinen Daumen hoch halten, ohne wesentlich mehr Inhalt abzusondern (es ist Sonntag 11:00h MESZ und >25 Grad Celsius, da kann man auf der Terasse froh sein, noch tippen zu können): Die ARM (Acorn Reduced Instruction Set Computer (RISC)) Maschine, einst Triebfeder für die Archimedes-Workstation, kehrt nun als Desktop-System auf den Mac zurück!

Kein Scheiß!? Nein: 1987 oder ’n Jahr später haben Kollege Peter und ich im Eidelstedter Bürgerhaus, anläßlich des CCC Treffens (siehe Datenschleuder Seite 10), den Kasten mal gesehen und er war deutlich geiler als alles was wir bisher unter unsere Finger bekommen hatten.

Ähnlich erging es mir nur noch als ich das erste Mal die NeXTstation erblickte, denn das Display PostScript stellt(e) 1987 alles in den Schatten was Auflösung und Klarheit sich mit bis dato in den Weg gestellt hatte. Heute findet man den Nachfolger in Quartz auf dem Mac – mit PDF im Gepäck.

Kein heißer Scheiß!

Also, bevor jetzt die Jüngeren unter uns meinen, dass das alles neuer, heißer Scheiß ist – Nope! Als SPARC-Liebhaber erfreut es einem natürlich, dass es nun doch wieder in eine andere Richtung geht: Rechenkerne können wenig, dafür deren Anhängsel, die spezialisiert Dinge abarbeiten, vor allem in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Eigentlich dacht ich in meiner IT-Naivität, dass das immer das bessere Modell wäre… Langsame Dinge nicht auf schnelle Dinge draufsatteln, da man sonst das Gesamtsystem verlangsamt…. hmmm…. Informatiker mögen mir meinen Irrglauben gerne mal auseinandernehmen.

Keine Apokalypse bei der Umstellung erwartet!

Nein, im Gegensatz zu der „anderen OS-Welt“, kennt sich Apple/NeXT mit Prozesserumbauten aus, denn auch die Abkehr vom Motorola 68xxxx (PowerPC) hin zum INTeL ging seinerzeit recht schmerzbefreit, wenn, ja wenn die Entwicklergemeinde denn ihre Programme durch den neuen Compiler jagt und dann sogenannte „universal binaries“ rausfallen lässt.

Das große Plus von macOS‘ Kernel (mach bzw. XNU) und dem Betriebssystem (UNIX®) ist eben die sehr modulare, kleinteilige Struktur und die Prozessorarchitektur folgt dem quasi nun wieder.

Rhapsody hatte „ungeliebtes“ x86 im Bauch – Big Sur „geliebtes“ ARM

Ich habe seinerzeit Rhapsody 1997 auf einem AMD (x86-basierte Architektur) getestet, da ich von der NeXT-Welt kam und den Zugang seinerzeit irgendwie bekam mit in die „Developer“-Testphase zu springen. Erst 2015, also viele Jahre später, wendete sich Steve Jobs von Motorola ab, da die Wärmeprobleme bei kleinen Maschinen einfach nicht besser werden wollten (ich hatte einen iMac G5 17″ und weiß wovon ich rede).

Während Apple kein Freund von INTeL war, heißt es, dass Advanced RISC Machines, Ltd. (so heißt Acorns ausgelagerte Chip-Schmiede seit 1989) und Apple sich mögen und Apple eines der wenigen Unternehmen ist, dass an den Kernel-Bestandteilen rumprökeln darf.

Windows ne… aber Sicherheit, Energie und iOS juchhe!

Während die BootCamp- und Virtualisierer-Hasis nun weinen (keine Sorge Parallels wird die Gelddruckmaschine nicht versiegen lassen!), so werden auf einmal iOS-/tvOS-Programme kompatibel zu macOS und damit wird die Lieblingsapp auf dem iPhone auch auf einem ARM-Mac anstandslos laufen können 🙂

Zudem verbruzelt ARM weniger Energie als INTeLs Bratpfannen (schon AMD hatte es geschafft bessere Prozessoren mit weniger Energiehunger und Wärme zu produzieren) und damit werden kleinere/dünnere Maschinen noch mehr in den Fokus rücken….

Da ich auf Windows-Programme seit vielen Jahren nicht angewiesen bin, freue ich mich sehr auf das was da kommt und könnte auch dieses Mal wieder testen, aber…. neee.. lass‘ mal die „jungen, wilden“ ran…..